Im Haus Vaterland ist man gründlich, hier gewitterts stündlich!


Das Haus Vaterland war die Mutter aller Erlebnisgastronomie-Einrichtungen.

Am 31. August 1928 mit einem großen Festessen eingeweiht, wurde es zum Touristenmagnet und Anziehungspunkt für Berliner. Auf 8000 Plätzen in mehreren Themen-Restaurants, -Bars und -Cafés, einem Kino und einem Varieté-Theater wurde Amüsement zu durchschnittlichen Preisen geboten.

Mein heutiger Artikel des Tages ist die Broschüre, die anlässlich der Einweihungsfeier herausgegeben wurde.

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928

Die Vorderseite ist durchgestanzt und bietet beim Umblättern einen Schnitt und die Übersicht der wichtigsten Teile des Hauses.

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928

Dieses Heftchen enthält neben informativen Texten zu den gebotenen Attraktionen, Portraits der auftretenden Künstler und Abbildungen der Restaurants und ihrer Einrichtung eine Vielzahl von Werbeanzeigen, in der sich die Lieferanten und Ausstatter des Haus Vaterland darstellen konnten.

Weil sicher für jeden etwas anderes Interessantes dabei ist, habe ich euch einfach das gesamte Heft fotografiert und zeige es euch hier.

Das Vorwort von Leo Kronau. Auf der Seite haus-vaterland-berlin.de steht zu lesen: „Von Leo Kronau stammt die Idee zur Grossgaststätte „Haus Vaterland“, er war auch der erste oberste Direktor des Hauses 1928. Nach ca. 6 Monaten trennten sich Kempinski und Kronau, genaueres ist zur Zeit nicht bekannt.“

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Leo Kronau

Wichtige Personen im Zusammenhang mit dem Umbau und der Ausstattung:  der Architekt Carl Stahl-Urach, der Leitende Ingenieur des Umbaus Berthold Koninski, der oberste Bauleiter Hans Fritsche (aus Erfurt), der Kunstmaler Prof. Ernst Stern, der den Palmensaal entwarf und der Unbekannte E. Mayer.

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Architekten und Planer

Eine kurze Beschreibung des Gebotenen:

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928

Weinwerbung:

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Tintoretto Wein

Noch mehr Zahlen zum Bau des Hauses – für damalige Zeiten beeindruckende Größen, aber nach dem Wiedererstarken Deutschlands und dem zunehmenden Selbstbewußtsein „Wir sind wieder wer!“ einer der vielen Sterne am Himmel der 1920-er Jahre:

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928

Noch mehr Kempinski-Eigenwerbung – diesmal Feinkost und auf der rechten Seite eine Werbung des Teppichhauses Gerson, das hier die Fußböden ausstattete. Daneben der Beitrag zum Bayerischen Löwenbräu-Restaurant.

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Münchener Löwenbräu-Saal

Das Wiener Café Grinzinger

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Wiener Grinzinger
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Wiener Grinzinger

Die spanische Bodega

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Bodega

Das ungarische Dorf-Wirtshaus Czarda

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Csarda
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Csarda

Innenausbau

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928

Kempinski Weinbrand

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928

Die Wild-West-Bar – besonders beliebt, da echte Indianer und Cowboys angestellt waren (die allerdings meist aus Berlin stammten, durch einen dunkleren Hautteint oder einen gekonnt eingeübten Akzent den Eindruck der Authentizität vermittelten)

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Widwest-Bar
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Wild-West-Bar

Das türkische Café (und wahrscheinlich das einzige, was an dieser Stelle heute noch anzutreffen ist, wenn auch in etwas schlichterer Ausstattung)

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Türkisches Café
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Türkisches Café

Die Revue

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Ball-Saal-Revue

mit Trude Hesterberg und der sehr interessanten Irene Ambrus, sowie Curt Fuß und Theo Lucas (bekannt durch diese recht gewagte, weil schwule Interpretation eines Schlagers der Zeit).

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Ball-Saal-Revue
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Ball-Saal-Revue
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Ball-Saal-Revue

Hester Harvey

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Ball-Saal-Revue

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Ball-Saal-Revue

Werbung:

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928

und die Siemens-Schuckertwerke

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928

Das Sport-Ballett mit Willy Schulhoff

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Sport-Ballett

Eine Firma JAJAG (J.A.John AG) aus Erfurt, die neben Be- und Entlüftungsanlagen vor allem für die Zinkbadewannen berühmt war. (seht hier)

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928

Und last but not least: Die Rheinterrasse, die durch ihre besondere Attraktion berühmt wurde. Unter dem Motto „Im Haus Vaterland ist man gründlich, hier gewitterts stündlich!“ wurde zu jeder vollen Stunde das Licht verdunkelt, über der Rheinlandschaft (die auf dem Bild am hinteren Ende sichtbar ist) zogen Gewitterwolken auf und ein echte Regen ging hernieder. Anschließend verzogen sich die Wolken, ein Regenbogen erschien und das Licht wurde wieder hell.

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Kempinski's Rheinterrasse
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Kempinski-Rheinterrasse
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Kempinski-Rheinterrasse
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928

Zigarettenpreise im Hause:

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Waldorf Astoria Zigarette
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928

Werbung für Schallplatten

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928

Lampen

und Lichtreklame

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928

Schuhe für die Dame

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Bottina Schuhe
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928

Massary Zigaretten, man rauche sie bedachtsam, mit inniger Hingabe, mit wägendem Sinn.

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Massary Zigaretten

Der Palmensaal

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Palmensaal
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Ballsaal-Revue, Fünf-Uhr-Tee mit Gesellschaftstanz
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Dirigenten

Die Dirigenten, darunter Ladislaus Löwenthal, der 1942 Opfer des Holocaust wurde.

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Köche und Kino

Die Deutschen Girls des Hause Vaterland (und eigentlich nur Heizungswerbung)

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Die Deutschen Girls
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Die Deutschen Girls
Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928

Und zum Schluß Bierwerbung

Begleitheft zur Eröffnung von Haus Vaterland am Potsdamer Platz, Berlin, 31. August 1928 - Löwenbräu

1943 und 1945 brannte das Haus zuerst teilweise, dann ganz aus, wurde nach dem Krieg notdürftig hergerichtet, am 17. Juni 1953 beim Volksaufstand in der DDR dann aber erneut abgefackelt. Diesmal blieb es geschlossen und befand sich ab 1961 im Grenzstreifen. Durch Gebietsaustausch zwischen der DDR und Westberlin befand sich das Gebäude nun im Westteil der Stadt. Aufgrund der verlorenen Lage im Grenzgebiet sah man keine weitere Verwendung.

Nach dem Abriss 1972 durch die Westberliner Behörden lag das Gelände im Niemandsland brach. Nach dem Mauerfall und der Wiederbebauung des Potsdamer Platzes kamen an die Stelle des Haus Vaterland

Source: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/ES2WUM5NLMDBQVTRAANUFUJFTYOSV52F

die Park-Kolonnaden. Ein Schelm, der denkt, der Architekt wollte hier an etwas erinnern.

„Berlin – Park Kolonnaden 1“ von Andreas Steinhoff. Lizenziert unter Attribution über Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Berlin_-_Park_Kolonnaden_1.jpg#/media/File:Berlin_-_Park_Kolonnaden_1.jpg

Ein Buchtipp: Wer sich für Kriminalgeschichten interessiert, dem seien die Bücher von Volker Kutscher empfohlen. Der Kölner Kriminalassistent Gereon Rath wird nach Berlin zwangsversetzt und gerät in spannende Geschichten. Die Bücher sind chronologisch erschienen und spiegeln die Karriere Rath’s wider. Band 4 trägt den Titel „Die Akte Vaterland“ und spielt zu einem wichtigen Teil im Haus Vaterland.

5 Kommentare zu „Im Haus Vaterland ist man gründlich, hier gewitterts stündlich!

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