Heinrich Zille, der Berliner Zeichner wurde wahrscheinlich durch seine lustigen, aber oftmals trotzdem traurigen und zum Nachdenken anregenden Zeichnungen berühmt. Niemand hat das Leben der Unterschicht in den Arbeitervierteln vom Berlin der Jahrhundertwende so treffend gezeichnet wie er. „Dreiundzwanzig Fennje bekam ’ne Heimarbeiterin, und die Kinder jingen in ’ne Streichholzfabrik und hatten denn von dem Phosphor und Schwefel jar keene Fingernägel mehr. Und da soll man nich mal dazwischenfahren, wenn man erlebt hat, wie sich det Elend von Jeneration zu Jeneration weiterfrißt – wo det Kind schon als Sklave jeboren wird?!“
Aber auch als Photograph hat Zille zur Bewahrung alter Berlin-Ansichten beigetragen, die nur selten oder sogar niemals fotografiert wurden.
Sein meistdiskutiertes Werk sind aber wohl noch immer die 1921 unter Pseudonym herausgegebenen Hurengespräche.
Zille lässt acht Prostituierte Szenen aus ihrem Leben zu hause und mit den Freiern schildern.
Die Geschichte wird eingeleitet mit dem Text: Berlin O (Ost), Nachts in einem Bouillonkeller. Olga, Pauline, Rosa, Alma, Pinselfrieda, Bollenguste, Lutschliese, Minna.


kleine Lesehilfe:
- anjeklaut, klauen = nicht zu verwechseln mit der heutigen Bedeutung des Wortes „klauen“, das aber genau wie seinerzeit von der Klaue / Kralle stammt. „angeklaut“ bedeutet also so viel wie „angefasst“.
- Balj – Balg
- vorgekneppt – vorgeknöpft
- uns’en – unserem
- Stoßlade – eigentlich ein Tischlerwerkzeug, ähnlich einem Hobel, hier allerdings eher ein Sofa, auf dem offenbar Mutter von Vater „gestoßen“ wurde.
- volljeklirt – klieren = schmieren
- Hottepese – siehe hier Seite 37, ganz oben rechts – eine Mischung aus den Schimpfwörtern Fatzke und Ochse
- Stob – Staub
- Plötze



So fürchterlich das alles klingt, scheint es aber die damalige Situation gut aufzuzeigen. Die Berliner Mietskasernen boten oft nur ein Zimmer für die ganze Familie – also Vater, Mutter, Kinder und gelegentlich noch die Großmutter. Einhergehend mit dem niedrigen Bildungsstand und der hohen Kinderarbeitsrate entstanden dann Situationen, wie die oben geschilderten. Da dieses Thema sicher eher ungern diskutiert wurde, können wir Zille für dieses aufschlussreiche Zeitdokument dankbar sein.
Er liegt übrigens auf dem Südwestkirchhof der Berliner Stadtsynode in Stahnsdorf, südlich von Berlin begraben. Dort habe ich seinen Grabstein gefunden:
Zum Schluß noch ein Bild aus Wikipedia:

Kommentar verfassen