Vor einem knappen halben Jahr habe ich euch mein kleinstes Sammelgebiet vorgestellt – die Stuhlkarten. Damals habe ich euch eine weiter Karte versprochen – eine großformatige. Die ist eigentlich schon so groß, daß man schon gar nicht mehr von Karte reden kann. Es ist schon ein Blatt.
Etwas kleiner als ein A4-Blatt, war diese Chromolithographie in absolut neuwertiger Erhaltung einigermaßen schwierig zu bekommen. Sie stammt aus der Druckerei Henri Sicard, neben Francois Appel, Vallet & Minot und Testu, Massin & Champenois eine der ganz großen Imprimeries von Paris.
Ich hatte euch Henri Sicard bereits in diesem Artikel erstmalig vorgestellt. Es gab noch weitere große Druckereien in Paris, der Hauptstadt der vom Deutschen Alois Senefelder erfundenen Lithographie. Bognard, Thomas Dupuy, Bouillon-Rivoyre, Hutinet, Baster & Vieillemard, Henri Laas, Courbe-Rouzet, Romanet, Dangiville (eine der ältesten), Aubry, Verger und Bataille – ich glaube, das ist eine vollständige Liste aller namhaften Imprimeure des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die meisten wurden erst in den späten 1870-er oder frühen 1880-er Jahren gegründet, wuchsen mit der Nachfrage nach Werbe-, Kalender- und Verpackungsdrucken schnell und waren zu beginn des 20. Jahrhunderts verschwunden.
Einige wenige überlebten und kauften lukrative Konkurrenten auf. So wurde aus Testu & Massin zuerst Testu, Massin & Champenois und schließlich bleib nur noch Champenois übrig. Den kennt beinahe jeder durch seine Drucke der Werke von Alphonse Mucha.
Zurück zu unserem heutigen Exponat: Der Jardin Zoologique d’Acclimatation du Bois de Boulogne wurde 1860 von Napoleon III eröffnet. Es war einer von zwei Pariser Zoos in dem bis 1870/71 viele Tiere aus der ganzen Welt gezeigt wurden. Während der Belagerung von Paris durch die Preußen in den eben genannten Jahren zog man es vor, die Tiere vom Chefkoch Alexandre-Étienne Choron köstlich zubereiten zu lassen und zu verspeisen. Ob dazu die vom Maître kreierte Sauce Choron bereits gereicht wurde, ist mir unbekannt.
Zwischen 1877 und 1912, also zu der Zeit, in der unser heutiges Blatt den Besuchern ein wunderschönes Konzert ankündigte – es war der 8. Mai 1887 – bot der Garten „l’Acclimatation Anthropologique“ wie er inzwischen hieß, eine ganz bezaubernde Attraktion an. Buschmänner, Nubier, Zulu und viele weitere afrikanische Stämme wurden in einem menschlichen Zoo ausgestellt. Der Erfolg war enorm. Seit diese heute eher unwahrscheinliche Ausstellung eröffnet wurde, verdoppelte sich die Anzahl der Besucher auf eine Million pro Jahr.
Welche Musik wurde im Mai 1887 gespielt? Schauen wir auf das Programm: Mayeur (der auch selbst dirigierte), Auber, Jules Massenet, Johann Strauß, Georges Bizet, Sellenick, Gounod, Desormes.
Auf der Rückseite finden wir Werbung für Herren- und Knabenmode des Kaufhauses La Grande Maison gegenüber des Louvre.
Überraschenderweise wurden die Anzüge immer teurer, je jünger der Knabe war. Um dem Bengel ganz rechts sein neues Outfit zu finanzieren, waren bereits 50 bis 55 Franc nötig, wohingegen Vater für die Hälfte einen schmucken Anzug bekam. Mit Toben und Schmutzigmachen war es dann allerdings Sense. Allenfalls auf einen Hügel zeigen (wie er uns das vormacht) und einmal hin und wieder zurücklaufen – mehr war nicht drin.
Wunderschön 😍
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