Wer hat schon mal ein Amts-Blatt gelesen? Das ist das behördliche Mitteilungsblatt für amtliche Bekanntmachungen. Hier werden mehr oder weniger interessante, meist aber wichtige Informationen vom Regierungsbezirk an die Städte und Gemeinden verteilt.
Meine Amts-Blätter stammen aus den Jahren 1822, 1823 und 1824 und sind von der Königlich Preußischen Regierung in Merseburg herausgegeben worden.
Ich habe sie mir tatsächlich auszugsweise durchgelesen und für euch ein paar Höhepunkte herausgesucht:
Eine Übersicht über die 1822 approbirten Medicinal=Personen – zwei Apotheker und zwei Tierärzte, vier Geburtshelfer und 18 Hebammen.
Auf dieser Seite steht der namensgebende Artikel für den heutigen Beitrag:
Verzeichniß aufgegriffener, mittels Marschroute und Transports aus den Königl. Preuß. Staaten verwiesener Vagabonden.
Aus dem Zeitzer Kreise.
Wegen Vagabondirens.
Catharina Schilling, Ehefrau eines Maurergesellen, aus Baireuth, 36 Jahre alt, 5 Fuß groß, hat blonde Haare, schmale Stirn, blonde Augenbrauen, blaue Augen, spitze Nase, gewöhnlichen Mund, spitzes Kinn, längliches Gesicht, mittle Statur, mehrere Oberzähne fehlen.
Auf der rechten Seite steht unten noch eine interessante Mitteilung, der in Bezug zu diesem früheren Artikel steht. Dort hatte ich die erst 1993 abgeschaffte Leuchtmittelsteuer erwähnt. Hier steht, daß zumindest die Steuer auf Talglichte nicht mehr zu entrichten ist.
Nachdem des Königs Majestät mittelst Allerhöchster Cabinettsordre vom 31. v.M. (vorigen Monats) die Eingangsabgabe von Talglichten, welche welche in die schlachtsteuerpflichtigen Städte der Monarchie von andern ländischen Orten her eingebracht werden, aufzuheben und das Gesetz vom 30. Mai 1820 dahin näher zu bestimmen geruhet haben, daß Talglichte zu §. 14 und 15. Litt. d d gedachten Waaren nicht weiter gerechnet werden sollen: so wird solches hierdurch zur Nachricht und Achtung für die Steuer-Aemter und das Publikum öffentlich bekannt gemacht. Merseburg, den 22. Juni 1822.
Auf Seite 192 findet ihr die Durchschnitts-Preise für Getreide und ähnliches: (die Preise sind in Thaler, Silbergroschen und Pfennigen angegeben)
Seite 278/279 überrascht uns mit dem Wegfall der Quatember-Steuer. Der Quatember ist mir erst vor kurzem untergekommen und wurde hier besprochen:
Nachdem wir mehrere Anzeigen erhalten haben, daß in dem zum hiesigen Regierungs=Bezirk gehörigen Theile des Thüringischen Kreises, vermöge des für die Vasallen=Ortschaften dieses Kreises bestehenden, den übrigen vormals Sächsischen Landestheilen fremden Ständischen Instituts der Quatember=Excurrenz=Bezirk=Cassen, unserer, an die Ständische Behörde erlassenen Verfügungen entgegen, noch neuerlich und nach der, in Folge des §. 9. des Gesetzes, die Einrichtung des Abgabenwesens betr. vom 30. Mai 1820, geschehenen, Höchsten Orts genehmigten Schock= und Quatember=Steuer=Regulirung, Quatember=Steuer=Excurrenzien, als Kopf= und Nahrungs=Steuer von Angesessenen sowohl, als Unangesessenen erhoben worden sind, dieses aber, da seit der gedachten Steuer=Regulirung die Quatember=Abgabe nur noch als Grundsteuer besteht, überall nicht stattfinden darf; so sehen wir uns veranlaßt, den ständischen Behörden die Erhebung dieser Quatember=Steuer=Excurrenzien hiermit, bei nachdrücklicher Ahndung zu untersagen, den Contribuenten aber gleichzeitig bekannt zu machen, daß sie, was die Quatember=Steuer betrifft, blos zur Abtragung der durch die mehr erwähnte =Regulirung festgesetzten Grund=Quatember verbunden sind. Merseburg, den 16. September 1823
Was für ein Satz!
Darunter eine Belohnung von je 50 Thalern für mehrere Personen, die ander aus dem Eis gerettet haben. 50 Taler waren 1823 eine Menge Geld. Zum Vergleich: Noch 1850 betrugen die Wochenkosten eines 5 Personenhaushaltes gerade einmal 3 ½ Taler.
Für mich besonders interessant war die folgende Mitteilung vom 25. Januar 1823. Die 1814 gegründete und von Friedrich Wilhelm (ich vermute, es war dieser hier) protegierte Preußische Bibelgesellschaft ging zum 25. Januar 1823 als Tochtergesellschaft in der Preußischen Haupt=Bibelgesellschaft auf.
Die Grundsätze wurden dem Volk bekannt gegeben. Bestimmungen über die Verhältnisse der Preußischen Haupt=Bibelgesellschaft zu ihren unmittelbaren Tochtergesellschaften wurden bekanntgegeben
und die Anweisung erlassen, „die Jahres=Berichte … immer gegen Ende des December beim Ausschusse der Hauptgesellschaft in Berlin eingehen“ zu lassen. Es soll daraus jährlich ein General=Bericht angefertigt und sowohl Sr. Majestät dem Beschützer der Preußischen Bibelgesellschaft, als auch dieser selbst und dem Publicum vorgelegt werden.
Und wie das Haupt-Produkt dieser Bibelgesellschaft aussah, kennen wir alle: die Haus-Bibel der Jahrhundertwende:
Den Hinweis auf die Preußische Haupt=Bibelgesellschaft findet ihr zwischen den beiden Linien, oberhalb der 1882 Jahresangabe.
Diese Amts-Blätter sind ein Füllhorn von Zeitdokumenten. Ich habe sie seinerzeit für 10 Euro das Stück vor der Humboldt-Universität Unter den Linden gekauft. Hier werden ständig Bücher aus den Archiven der Uni zu teilweise beschämenden Preisen verhökert. Aber was soll’s.
In dem 1824-er Buch lag noch eine handschriftliche Notiz, deren Entzifferung ich mir aber noch aufgehoben habe. Wer Interesse hat, der frage, dann lese ich mal.
Und nun Augen auf: Catharina Schilling sollte inzwischen um die 228 Jahre alt sein und vagabondirt vielleicht noch immer durch Preußen, vielleicht morgen schon in eurer Nähe!