Ich begebe mich immer mal auf die Suche nach Büchern, die vor 1800 erschienen sind und keine kirchlichen Themen haben. Je älter die Bücher sind, desto rarer war der Anlass Belletristik, Schöngeistiges oder jedwedes andere Genre jenseits christlicher Veröffentlichungen herauszugeben.
Ob das daran lag, daß hauptsächlich Kirchendiener zu den Lesern gehörten und die nur theologische Schriften lesen wollten oder durften? Eventuell war auch die Zahl der Lesekundigen außerhalb von Klostermauern und Königshof in den Jahren bis 1800 weitaus geringer, so daß sich der Druck eines Buches nicht gelohnt hätte.
Wie dem auch sey, meine heutigen beiden Bücher stammen aus den Jahren 1778 und 1779, also gerade mal zwei Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung der USA, drey Jahre nach Goethes Urfaust, sind ca. 20 Jahre älter als sein Faust, Beethoven war gerade mal 9 Jahre alt, George Washington würde in 11 Jahren erster Präsident werden und Ludwig XVI war seit vier Jahren König von Frankreich und durfte sich nach Erscheinen des ersten Bandes noch 15 Jahre seines Kopfes erfreuen.
So alt sind die Bücher und kommen ganz ohne Kirchengeschwafel aus.
Der Briefwechsel dreyer akademischer Freunde, verfasst von Johann Martin Miller (1750-1814), ist eine zweibändige Sammlung des privaten Briefwechsels zwischen ihm und Sigmund Dörner, Jakob Friedeberg und Dörner, Philipp Schreiber und Dörner, Sabine Molterinn und Dörner, sowie Briefe von Friedrich Heinrich Trautmann an Jakob Friedeberg
Wer war Johann Martin Miller? Wikipedia klärt uns auf: Johann Martin Miller war ein deutscher Theologe und Schriftsteller. Er wurde 1772 einer der Mitbegründer des Göttinger Hainbundes. Über den Hainbund schloss er Freundschaft mit Matthias Claudius („Der Mond ist aufgegaaaangen“), Gottfried August Bürger (Schriftsteller der Feldzüge des Freiherrn von Münchhausen und Verfasser mehrerer Freimaurerreden), Ludwig Christoph Heinrich Hölty (Üb‘ immer Treu und Redlichkeit bis an dein kühles Grab), Johann Heinrich Voss (Übersetzer der Ilias und Odyssee) und Friedrich Gottlieb Klopstock („Messias“), den er 1774 von Göttingen nach Hamburg begleitete. 1774/75 studierte er in Leipzig. Millers bekanntestes Gedicht, Die Zufriedenheit („Was frag ich viel nach Geld und Gut, / Wenn ich zufrieden bin“), diente mit Wolfgang Amadeus Mozart, Christian Gottlob Neefe und dessen Schüler Ludwig van Beethoven gleich mehreren Komponisten als Textvorlage.
Aber worum geht es nun in der Briefsammlung? Was soll ich lange drumherumschreibseln, wenn doch auch hier Wikipedia schon eine Antwort parat hält: 1776–77 erschien noch der Briefwechsel dreyer Akademischer Freunde, ein Roman in Briefform, „ein Beispiel für die Verschiedenartigkeit der geistigen Strömungen … im Zeitalter der Aufklärung, wo neben den Verfechtern des uneingeschränkten Gebrauchs der Vernunft und des Verstandes solche standen, die sich für die Entfaltung und Wertschätzung der Gemütskräfte und auch für die Erhaltung der in Dogmen fixierten christlichen Religion einsetzten“
Zu den anderen Briefwechsel-Freunden habe ich im Netz nichts gefunden. Es gab einen Georg Friedrich Heinrich Trautmann, der im Königlich-Großbritannisch-Hannoverschen Staats-Kalender von 1821 als Diakonus zum Frankenberge, dann Pastor und schließlich Superintendent zu St. Stephan erwähnt wird. Das könnte zeitlich passen.
Wer mag, darf hier noch ein paar Seiten lesen. Wer mehr will, meldet sich.
Ich habe damals Band 2 in einem Antiquariat gefunden und mich sofort im weltweiten Gewebe auf die Suche nach Band 1 gemacht. Und nach wenigen Monaten hatte ich ihn tatsächlich gefunden. Nun habe ich sie komplett. Die Lektüre war sehr erbaulich. Kein wissenschaftliches Gerede sondern sehr eingängige Briefe mit schöner Tiefe.
Man sollte auch heute viel mehr Briefe schreiben. Wenn ich das mal mache, merke ich, wie ich nach zwei bis drei Seiten in Fahrt komme, die Handschrift hat sich eingepegelt und im Nu sind zehn und mehr Seiten gefüllt.
Wen es interessiert: Laut der Matrikel der Loge Zum goldenen Zirkel im Geh. Staatsarchiv Berlin-Dahlem wurde Miller am 13. Oktober 1774 in der Loge Zum goldenen Zirkel in Göttingen Freimaurer. Im darauffolgenden Jahr wurde auch der oben erwähnte Gottfried August Bürger in ebendiese Loge aufgenommen. Er wurde am 11. Dezember 1776 in dieser Loge zum Gesellen befördert. 1775 erhob ihn die Loge Zur goldenen Kugel in Hamburg bei einem Besuch zum Meisarder (was mag das sein?). Er soll lange Zeit Redner der Loge Asträa zu den 3 Ulmen in Ulm gewesen sein (die Loge war 1795-1807 geschlossen).
Matthias Claudius und JohannHeinrich Voss (auch oben erwähnt) waren hingegen Freimaurer-Brüder in der Hamburger Loge „Zu den drei Rosen“, Mozart war Freimaurer zweier Logen in Wien, Neefe in der Loge Karoline zu den drei Pfauen in Neuwied und Logenmeister der Bonner Loge, die auch Beethoven besuchte.
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