Im 19. Jahrhundert nicht nur bei Kindern beliebt, war der Sport des Botanisierens. Jawohl, es lief unter der Rubrik Sammelsport für Naturfreunde.
Während Kinder vorwiegend mit Netz und Botanisiertrommel auf die Jagd nach Schmetterlingen gingen oder Käfer einsammelten, erweiterte sich das Sammelgebiet mit zunehmendem Alter auf die Flora. Pflanzenteile wurden abgeknipst, gepresst, getrocknet, aufgeklebt, beschriftet und katalogisiert.
Leider habe ich noch keine schöne Botanisiertrommel in meinem Besitz. Update: Ich habe eine. seht hier. Sollte ich je mit dem Gedanken spielen, mir einen Käferschaukasten anzulegen, werde ich um eine Anschaffung nicht herum kommen. Aber ein paar hübsche Bücher habe ich, die mich anleiten werden, sofern ich eine Pflanzensammlung beginnen möchte.
Da wäre zum einen ein Buch von 1882 – Schmidlin’s Anleitung zum Botanisieren und zur Anlegung von Pflanzensammlungen.
Das Inhaltsverzeichnis verrät uns, was zu erwarten ist. Im Vorwort erläutert uns Dr. Otto Wünsche mit welchen Schwierigkeiten Anfänger in dieser „lieblichen Wissenschaft“ zu kämpfen haben.
Für mich sind besonders die Beschreibungen der Pflanzen interessant gewesen. Ich gehe davon aus, daß von den hier beschriebenen Pflanzenarten die meisten die vergangenen 130 Jahre heil überlebt haben. Von dem Standpunkt aus betrachtet, ist es sehr unschön, wenn man bedenkt, wie wenige Pflanzen man bei einem Gang durch die Natur tatsächlich bestimmen könnte. („Das dort vorn ist ein … äh … Baum … glaube ich.“)
Die nächste Seite habe ich euch fotografiert, weil ich mich gewundert habe, wieviele Kräuter und Pflanzen man doch kennt, die – zumindest von mir – unter ihren deutschen Namen eher nicht miteinander assoziiert wurden.
Hättet ihr gewusst, daß Dost nichts anderes ist als Oregano? Oder Quendel ist gleich Thymian. Nicht mal, daß es Lippenblütler sind, hätte ich gewusst.
Im nächsten Foto lernt ihr, worauf man bei der Bestimmung durch Blüten zu achten hat. Hier Schmetterlingsblütler. Auf der linken Seite noch Reste der Klee-Arten, rechts unter Nummer 12 die Beschreibung des Schüchel, den viele als Hornklee kennen. Neu war mir der lateinische Name Lotus (nicht zu verwechseln mit der Lotosblume).
Als letztes Beispiel aus diesem Buch einige Kreuzblütler. Na, wer kennt welche? Wer kennt überhaupt die Rauke? Kaum jemand, obwohl sie beinahe jeder im Salat hat. Aber „Rauke“ klingt natürlich viel zu gewöhnlich um für eine handvoll Blätter zwei Euro zu bezahlen. Also nehmen wir den im sonnigen Feriengebiet gebräuchlichen italienischen Namen und schon haben wir einen edlen Rucola-Salat.
Auf mein zweites Buch bin ich ein wenig stolz, weil ich es auf dem Bücher-Trödelmarkt am Berliner Pergamon-Museum (gegenüber von Frau Merkels Wohnhaus) gefunden und für relativ kleines Geld gekauft habe.
Des Ritters Carl von Linné Pflanzensystem nach seinen Klassen, Ordnungen, Gattungen und Arten mit Erkennungs und Unterscheidungszeichen, 14. Auflage von 1786. Carl von Linné war ein schwedischer Botaniker, der sich die Gruppierung der Pflanzen ausgedacht hat. Seinem Werk hat er den folgenden Spruch vorangestellt: „Opera JEHOVÆ magna! exposita omnibus, qui delectantur illis; gloriosum, & decorum opus Eius!“ Mein Latein ist leider nicht so lebendig. Sollte unter euch ein gebürtiger Latino sein, würde ich mich über eine korrekte Übersetzung freuen. Zusammengestottert komme ich zu: „Jehovas großartiges Werk! Für alle zur Schau gestellt, um zu erfreuen; Herrlichkeit und Zierde sind Sein Werk.“
Der Übersetzer Xaver Joseph Lippert hat sein Werk „Dem Wohlgebohrenen Herrn Herrn (ja zweimal) Nikolaus Joseph Edlen von Jacquin, k.k. Bergrathe, der Chymie und Kräuterkunde ordentlichen Lehrer an der hohen Schule zu Wien, der meisten gelehrten Gesellschaften Mitgliede etc. welcher gegenwärtiges Werk selbst mit den zahlreichen Entdeckungen und Beobachtungen bereichert hat, Als ein Denkmal der verpflichteten Hochachtung“ gewidmet.
Aber was steht eigentlich drin, in diesem über 1000 Seiten dicken Buch?
Herr Linné unterteilt die Pflanzen nach dem Aufbau der Blüten. Ein-, zwey, drey- bis vielmännische und ebensolche weibiche Blütenteile. Das bedeutet, man muß erstmal eine Blüte haben um hier weiterzukommen. Je weiter man im Buch vorrückt, desto spannender werden die Klassen-Bezeichnungen. Behandelt Kapitel XVII noch Zweybrüdriche, Fünfmänniche (wo uns natürlich sofort der Ginster , die amerikanische Erdnuß und die Clitorispflanze – so so, wer benennt die eigentlich? – einfällt), geht es in Kapitel XIX um Mitbuhler. Gleiche Vielweyberei. (natürlich die Golddistel, der Wegwart, Beyfuß, Huflattich und die Artischocke) und in Kapitel XX um die Eifersüchtige. Zweymänniche. (Frauenschuh) Fünfmänniche (Passionsblume – die wiederum viele als Maracuja kennen). Die letzten Kapitel beschreiben dann noch XXI. Halbgetrennte, XXII. Ganzgetrennte (Pappel), XXIII. Vielweiberey (Ahorn) und XXIV. Verborgene (Farne)
Hier eine Seite mit Cypergras zu dem auf der vorherigen Seite steht: 66. Cypergras (Cyperus) Die Bälglein spreuförmig und zweyreihig, dachziegelförmig übereinandergelegt, Blumenkrone o. Saamen I. nakend.
Auf der rechten Seite der große Absatz beschreibt das Papyrus-Gras, das vielen als Zimmerpflanze bekannt vorkommen wird: Das Papyrcypergras. papyrus. mit dreyseitigem, nakten Halme, einem längerem Schirme, als die Hüllen sind, dreyblättrichen, borstenförmigen längeren Hüllen und drey Aeherchen. Die Hülle ist 8 blättricht, und kürzer als der Schirm, und die äussersten 4 Blättchen etwas breiter; der allgemeine Schirm fast gleich, sehr zahlreich, mit Strahlen die an ihrer Grundfläche gescheidet sind, die Hüllchen 3 blättricht, borstenförmig aufrechtstehend, und von der Länge der allgemeinen Hülle, die Schirmchen mit 3 sehr kurzen Fruchtstielen. Aehren viele, wechselweisstehend, pfriemenförmig, sitzend. (Es wohnet in Calabrien, Sicilien, Syrien, Egypten.)
Zu eurer Erbauung noch ein paar weitere Seiten:
Und weil sie mir sie gut gefallen, hier noch eine der zahlreichen Vignetten in diesem Buch. Die Schlußvignette mit einem schönen Obstkorb:
In meiner Sammlung befindet sich noch das Herbarium meines Urgroßvaters – eines Apothekers – das er in den Jahren 1899 bis 1901 angelegt hat. Es sieht noch einigermaßen gut aus. Einige Pflanzen sind verschwunden, andere angefressen aber sehr viele sehen noch aus, als wären sie erst gestern gepresst worden. Mehr dazu hier. Besagter Urgroßvater wurde hier bereits erwähnt. Er war der Empfänger des Briefes und der Vater meiner Oma. Und er war der Bruder des hier erwähnten Münchener Kaufmanns.