Manche Bilderbücher sind viel zu schade, um sie Kindern zu geben. So auch eines, das ich vor einigen Tagen neu in meine Sammlung aufgenommen habe. Es stand im Schaufenster eines Antiquariats und ich konnte mich nicht entscheiden. Als ich exakt einen Monat später wieder vorbeigeradelt kam und es noch immer im Schaufenster stand, wurde es zum Spontankauf.
Der noch recht gut erhaltene Schutzumschlag reißt einen nicht sofort vom Hocker. Ein Hahn, ein Frosch, ein paar Namen. Doch halt: Eugen Osswald, den kenne ich doch. Er war ein Impressionist, Tiermaler und bekannter Bilderbuch-Illustrator, der nach der Jahrhundertwende in München tätig war.
Das oben gezeigte Buch war recht weit verbreitet. Es bestand aus 9 dicken Pappseiten mit 18 Tiermotiven und unter jedem stand ein lustiger Reim. Es erschien ab 1934 in mehreren Auflagen.
Doch halt, es gab eine weitere Version von 1939. Sie bestand aus 10 Pappseiten und 20 Tierbildern (der Hahn ist doppelt). Und das schönste: es ist ein Leporello und ich hab sie. Der damalige Preis betrug RM 4,-. Ich habe etwas mehr bezahlt. Vergleicht man den Preis mit den Kosten für 1 Liter Vollmilch von 1939, hätte man bei einem Literpreis von RM 0,24 anstelle dieses Bilderbuchs 16,6 l Milch kaufen können. Derzeit kostet ein Liter Milch um die € 1,50 – ich hätte also € 25,- zahlen sollen. Bedauerlicherweise hätte auch das Doppelte nicht gereicht, dieses Buch in diesem Zustand zu bekommen.
Doch weil es mir so gut gefällt und ich keinen anderen Ort gefunden habe, an dem das Buch komplett abgebildet ist, zeige ich es euch heute in seiner ganzen Schönheit. Zuerst die Rückseite des Schutzumschlags mit Werbung für andere Bücher:
Den Hahn kennen wir schon. Er ist sowohl auf dem Umschlag als auch das erste Motiv.
Man erkennt hier gut die unterschiedlichen Farben der Bindung – eine Hälfte ist blau, die andere rot. Ich beginne mit der roten Seite und gehe nach rechts.
Die gute Kuh, sie sagt: „Muh, muh, ich gehe auf die Wiese, wenn ich genug gefressen hab‘, dann melkt mich unsere Liese!“
Ich ziehe den Wagen tagein und tagaus, und abends im Stall, da ruh‘ ich mich aus.
Ach Schnauzerl, liebes Schnauzerl, dein Herr hat sich versteckt – nun such‘, mein gutes Schnauzerl, bis du ihn hast entdeckt!
Hüt‘ dich, schwarzes Miezekätzchen! Siehst du den Wauwau? Packt er dich am weißen Lätzchen, schreist du laut: „Miau!“
Kikeriki! Kikeriki! Es sprang zu mir ein grünes Tier – Was will das hier? Was wünschen Sie? Kikeriki!
Widewenne, Widewenne heißt unsere Henne. Ein Kücken heißt Purr, das andere Piep – ihre beiden Kücken hat die Mutter sehr lieb.
„Frau Ente und Herr Enterich, was tun Sie hier im Garten?“ – „Ins Wasser möcht‘ ich gern hinein, Frau Ente will noch warten.“
Die Gans mit ihrem Wackelschwanz, sie guckt und tut sehr stolz – ein Gänschen, das nicht wackeln kann, das ist ja bloß aus Holz!
Auf dem Pferdchen reite ich, reite stolz und munter! Pferdchen lauf‘ nicht gar zu schnell, sonst fall‘ ich herunter!
Der Eimer fiel um, der Esel steht stumm, er kann ja nicht winken – bringt keiner dem Esel frisch‘ Wasser zu trinken?
Damit sind wir am Ende des 2,20m langen Leporellos angekommen und machen auf der blauen Seite weiter.
Du schöner brauner Schäferhund, wie hab‘ ich dich so gern! Du bist zu allen Kindern gut, gehorsam deinem Herrn.
Der Storch mit seinem langen Bein sucht sich im Gras sein Fressen. Ich möchte doch kein Störchlein sein: Dann müßt‘ ich Frösche essen.
Das Schaf und sein Junges, sie stehn auf der Weide, so sanft ist das Lämmchen, sein Fellchen wie Seide.
Schnell wie der Wind ist das Hasenkind! Da sitzt es und spitzt, wo die Jäger sind.
Im Winter war es grimmig kalt, da kam das Rehlein aus dem Wald. Die Kinder nahmen es in Hut: Nun bleibt es da und hat es gut.
Der Himmel leuchtet wunderschön, die Sonne will schon schlafen gehn. Die Krähe sagt dir gute Nacht – das Bilderbuch wird zugemacht.
Damit sind wir wieder am Anfang des Bilderbuchs. Bei einigen Bildern wird euch die Signatur von Eugen Osswald aufgefallen sein. Er hat mit „=O“, „=.O.“ oder „=.O.34.“ signiert. Das lässt uns ziemlich gut bestimmen, dass dieses Buch erstmals 1934 erschien.
Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Herbert Kranz, der Autor. Über den weiß Wikipdia einiges zu berichten. Schaut mal hier. Er hat sogar seine eigene Webpräsenz, die ihr unter www.herbert-kranz.de findet.
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