Wenn die Arbeitszeit zu Ende – Liederbuch der FDJ, 1946


Die Freie Deutsche Jugend, oder kurz FDJ, war die Jugendorganisation der DDR für Kinder ab 14 Jahren. Die Mitgliedschaft war gezwungen freiwillig. Man konnte nicht wollen, musste dann aber nicht dürfen. Kurz gesagt: Wer hier nicht mitspielte, brauchte an anderer Stelle gar nicht erst um etwas zu bitten.

Die ursprüngliche Idee der FDJ war eigentlich ganz lobenswert:

Wie jede Jugendorganisation, hatte auch die FDJ ihre Lieder. Eines der frühen Liederbücher habe ich euch heute herausgesucht:

Es ist meines Wissens das erste Liederbuch der FDJ, das nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erscheinen durfte – noch 3 Jahre vor Gründung der DDR.

Der Eigentümerstempel mag etwas verwirren. Aber man kann heißen, wie man will und eine Kotflügelfabrik hat 1946 bestimmt noch ausreichend Aufträge gehabt um eine Firma zu finanzieren.

Ein erst wenige Jahre eher erschienenes Liederbuch der damals sehr mitgliederstarken HJ hatte ich euch hier vorgestellt: Liederbücher der Hitler-Jugend. Noch eher erschien das Liederbuch der Wehrmacht (1935) und das Arbeiter-Liederbuch (1910). Wie gern schon immer gesungen wurde, wisst ihr aus meinen Artikeln über Liederbücher der Studenten (1900) und der Staatsbahn-Civil-Supernumerare (1893).

Das Geleit erklärt die Unterdrückung des antifaschistischen und damit kommunistisch geprägten Widerstands unter Hitler und die Freude, nach dem Ende des Krieges wieder frohgemut in die Zukunft blicken zu können. Damit geht dieses Liederbuch einher mit dem Liederbuch der Pioniere von 1950, das ihr hier kennengelernt habt: Stalin – auf dich bauen wir

Noch einmal bringen sich Herr Ficker und Herr Stark in Erinnerung. Die Grafiken waren ursprünglich schwarz-weiß. Mein Vorbesitzer hat sie koloriert.

Wer wissen möchte, welche Liedauswahl enthalten ist, schaut hier. Bei Bedarf kann ich weitere Liedtexte und Noten nachreichen.

Auf der zweiten Seite begegnet uns das inzwischen vergessene Wort „Schnurren“. Damit sind nicht die Katzenlaute gemeint, sondern die lt. Duden „kurze unterhaltsame Erzählung von einer spaßigen oder wunderlichen Begebenheit“. Wir finden in der Liste Lieder wie „Wenn der Topf aber nun ein Loch hat“ oder „Ich ging emal spaziere (Ich ging einmal spazieren)“, die eine kleine – mehr oder weniger glaubwürdige – Geschichte weiterentwickeln.

Wer „Ich ging emal spaziere“ nicht kennt, für den habe ich hier den Text des während des Ersten Weltkriegs entstandenen und noch lange bei diversen Gesinnungsgruppen beliebten Liedes herausgesucht:

Ich ging emol spaziere, nanu, nanu, nanu,
Ich ging emol spaziere, was sagste denn dazu?
ich ging emol spazieren, bums valera
und tät ein Mädel führe, hahahahaha, hahahahaha

Sie sagt, sie hätt viel Gulden, nanu, nanu, nanu
Sie sagt, sie hätt viel Gulden, was sagste denn dazu?
Sie sagt, sie hätt viel Gulden, bums valera
´s warn aber lauter Schulden, ha ha ha ha ha

Sie sagt, sie tät viel Erbe, nanu nanu nanu
Sie sagt, sie tät viel Erbe, was sagste denn dazu?
Sie sagt, sie tät viel Erbe, bums valera
´s war´n aber lauter Scherbe, hahahaha

Sie sagt, sie wär von Adel, nanu, nanu, nanu
Sie sagt, sie wär von Adel, was sagste denn dazu?
Sie sagt, sie wär von Adel, bums valera
ihr Vater führt die Nadel, ha ha ha ha ha

Sie sagt, sie könnt gut kochen, nanu, nanu, nanu,
Sie sagt, sie könnt gut kochen, was sagste denn dazu?
Sie sagt, sie könnt gut kochen, bums valera,
s war hart wie lauter Knochen, ha ha ha ha ha,

Sie sagt, sie könnt schön tanzen, nanu, nanu, nanu,
Sie sagt, sie könnt schön tanzen, was sagste denn dazu?
Sie sagt, sie könnt schön tanzen, bums valera,
ihr Rock war voller Fransen, ha ha ha ha ha

Sie sagt, ich soll sie küssen, nanu, nanu, nanu
Sie sagt, ich soll sie küssen, was sagste denn dazu?
Sie sagt, ich soll sie küssen, bums valera
es braucht niemand zu wissen, ha ha ha ha ha

Sie sagt, ich soll sie nehmen, nanu, nanu, nanu
Sie sagt, ich soll sie nehmen, was sagste denn dazu?
Sie sagt, ich soll sie nehmen, bums valera
sie macht mir’s recht bequeme, ha ha ha ha ha

Der Sommer ist gekommen, nanu, nanu, nanu
Der Sommer ist gekommen, was sagste denn dazu?
Der Sommer ist gekommen bums valera
ich hab sie nicht genommen, ha ha ha ha ha

Noch zwei Lieder habe ich euch herausgepickt: „Wenn die Arbeitszeit zu Ende“, ein Fahrtenlied, das den Spaß an der Wanderei besingt. Ich frage mich beim Refrain, ob wir hier einen frühen Fall von unbestimmter Geschlechtszugehörigkeit haben. „links die Burschen, rechts die Mädchen, und ich selber mittendrin“.

Zum Schluß das Lied „Ich trag in meinem Ranzen“ mit fröhlichem Text und freiem Sinn.

Die Geschichte der FDJ hat übrigens nach dem Zerfall der DDR ein jähes Ende gefunden. Von 2,3 Millionen FDJ’lern zur Mitte der 1980er Jahre ging die Zahl nach Stand 2003 auf 150 zurück. Nicht 150 Tausend, nein 150. So viel zur Freiwilligkeit.

2 Antworten auf „Wenn die Arbeitszeit zu Ende – Liederbuch der FDJ, 1946

Add yours

  1. Ich besitze dieses Liederbuch heute noch und erfreue mich der schönen Volkslieder, die darin enthalten sind, die leider heute der Vergangenheit angehören. Fast jeder in meiner Klasse besaß es. Er kostete 1,50 M. Es war ein schöner Brauch, dass jeden Tag die erste Unterrichtsstunde mit einem Volkslied begann. Das Geburtstagskind konnte sich für diesen Tag ein Lied wünschen. Auch die russischen Volkslieder habe ich sehr geliebt.

    Like

    1. Danke für den netten Kommentar. Sie haben recht, die Zeit geht dahin und kommt nie wieder. Aber das hat die ältere Generation schon vor tausenden Jahren festgestellt und „diese Jugend von heute“ beschimpft. Mal ist man „diese Jugend“, mal trauert man ihr nach.

      Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Erstelle eine Website oder ein Blog auf WordPress.com

Nach oben ↑